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Adhäsion

Adhäsion ist die Haftung zwischen zwei verschiedenartigen, flüssigen oder festen Oberflächen, welche durch physikalische Anziehungskräfte, d.h. Wechselwirkungen zwischen Molekülen an der Grenzfläche, sowie durch kovalente chemische Bindungen entsteht.

 

Auch mechanische Verhakungen, etwa aufgrund von Rauheit, oder Verschlingungen von Makromolekülen können Adhäsion bewirken. Dieser Artikel behandelt vorrangig die durch physikalische Anziehung entstehende Adhäsion. 

Was ist der Unterschied zwischen Adhäsion und Kohäsion?

 

Adhäsion bezeichnet die Haftung an der Grenzfläche verschiedener Stoffe/Phasen, während die Kohäsion den inneren Zusammenhalt eines Stoffs beschreibt.

In welchen Bereichen spielt Adhäsion eine Rolle?

 

Adhäsion tritt in unterschiedlicher Ausprägung bei jedem Grenzflächenkontakt zwischen verschiedenen flüssigen oder festen, nicht mischbaren/löslichen Phasen auf und spielt auch bei vielen biologischen oder medizinisch relevanten Vorgängen eine Rolle. Ein prominentes Beispiel ist der Gecko, der sich durch Adhäsion sogar kopfüber auf Glasscheiben fortbewegen kann.

 

Technisch ist Adhäsion überall dort relevant, wo Oberflächen verschiedener Materialien temporär oder permanent verbunden werden – besonders beim Verkleben, aber auch beim Beschichten oder Bedrucken. Die benötigte Stärke der Haftung hängt von der Anwendung ab: besonders fest und mechanisch stabil etwa im Flugzeug- oder Fahrzeugbau; im moderaten Bereich überall dort, wo die Verbindung reversibel sein soll, zum Beispiel bei Preisaufklebern oder Klebestreifen.

 

Oft ist jedoch auch eine möglichst geringe Adhäsion gefordert, beispielsweise bei Non-stick- und Easy-to-clean-Oberflächen. Die benötigte Adhäsion für den jeweiligen Zweck zu optimieren ist u.a. Aufgabe der Grenzflächenanalytik.

 

Lesen Sie dazu auch unsere Use Cases: Adhäsion an Polymeren, Adhäsion an Metallen oder Adhäsion an Glas

Wie wird Adhäsion gemessen?

 

Die meisten Messverfahren für die Haftung ermitteln direkt oder indirekt die Kraft, die zur Trennung einer adhäsiven Verbindung notwendig ist. Beispiele sind der Peel Adhesion Test für Klebebänder nach ASTM D3330 oder der Zugschertest, gemäß ISO 4587/ EN 1465, bei dem die Kraft für die Trennung zweier verklebter Platten gemessen wird.

 

Für die Adhäsion von Coatings ist der Crosshatch-Test nach ASTM D 3359/ISO 2409 etabliert. Dabei wird ein Gittermuster in die Beschichtung geschnitten und beim Abziehen eines Klebebandes geprüft, wie groß der Anteil der mit dem Band abgezogenen Gitterquadrate ist.

Verschiedene Schnittgitter nach Abzug des Klebebands bei Crosshatch-Tests. Anhand des Anteils des abgezogenen Coatings nimmt der Prüfer ein Rating nach standardisierten Kriterien vor.
Verschiedene Schnittgitter nach Abzug des Klebebands bei Crosshatch-Tests. Anhand des Anteils des abgezogenen Coatings nimmt der Prüfer ein Rating nach standardisierten Kriterien vor.

Die mechanischen Tests sind nicht zerstörungsfrei, zum Teil aufwändig, oft manuell und in der Ergebnisbewertung häufig subjektiv. Deshalb ist es für die Validierung der Adhäsion von Vorteil, bei deren physikalischer Ursache anzusetzen: Den molekularen Wechselwirkungen an den Grenzflächen. Grenzflächenchemische Methoden wie Messungen der Oberflächenspannung und des Benetzungswinkels (Kontaktwinkels) machen es möglich, die Adhäsion bereits vor dem Kontakt des flüssigen Kleb- oder Beschichtungsstoffs mit dem Substrat einzuschätzen. So können mechanische Prüfungen zwar meist nicht gänzlich umgangen, aber doch deutlich reduziert werden.

Wie hängen Adhäsion und Oberflächenspannung/Oberflächenenergie zusammen?

 

Zur Erklärung des Zusammenhangs zwischen Adhäsion und Oberflächenspannung hilft ein Gedankenmodell:


Die Oberflächenspannung ist die Arbeit, die pro Flächeneinheit aufgewendet werden muss, um eine Oberfläche zu bilden. Würde man eine Flüssigkeitssäule im Querschnitt teilen, dann würden zwei gleich große Oberflächen entstehen. Dabei muss die Kohäsion – die Anziehung zwischen gleichartigen Molekülen – überwunden werden. Demnach entspricht die Kohäsionsarbeit WC dem Zweifachen der Oberflächenspannung σ (kleines griech. Sigma; Gleichung 1):

Entsprechend würden beim Vereinigen der beiden Flüssigkeitsmengen die beiden Oberflächen verschwinden und die analoge Kohäsionsenergie würde frei werden.


Werden stattdessen zwei verschiedene, nicht mischbare Flüssigkeiten auf dieselbe Weise zusammengeführt, dann verschwinden ebenfalls zwei Oberflächen, jedoch unter Entstehung einer Grenzfläche. Auch für deren Bildung muss Arbeit verrichtet werden, die sich in der Grenzflächenspannung ausdrückt. Die Adhäsionsarbeit WA zwischen den beiden Phasen ist also die Summe der beiden Oberflächenspannungen σ1 und σ2, reduziert um die Grenzflächenspannung  σ12 (Gleichung 2): 

Dieser Zusammenhang wurde zuerst von Dupré formuliert und gilt sowohl für Flüssig-flüssig- als auch für Flüssig-fest-Grenzflächen. σ wird bei Festkörpern meist als freie Oberflächenenergie (surface free energy, SFE) und seltener als Oberflächenspannung bezeichnet. Bei Flüssig-fest-Grenzflächen wird für die Bestimmung der Adhäsionsarbeit der Kontaktwinkel benötigt.

Warum verstärken Vorbehandlungen wie Plasma- oder Flammaktivierung die Adhäsion?

 

Verschiedene Vorbehandlungsmethoden verbessern die Benetzung und Adhäsion vor dem Verkleben, Beschichten oder Drucken. Besonders Kunststoffe weisen in der Regel zunächst eine geringe freie Oberflächenenergie (SFE) auf. Entsprechend ist der Beitrag der Substratoberfläche zur Adhäsionsarbeit WA gering (s. Gleichung 2). Beim Kontakt mit wässrigen Systemen sind Kunststoffe außerdem oberflächenchemisch inkompatibel und die Grenzflächenspannung σ12 wird groß, wodurch sich der Wert für WA verringert.

 

Durch die verschiedenen Behandlungsmethoden wird die SFE erhöht. Die Behandlung erzeugt dabei chemische Gruppen, welche die Substratoberfläche „wasserähnlicher“ machen, weshalb die Grenzflächenspannung sinkt (Details dazu weiter unten).

 

Der Erfolg solcher Vorbehandlungen lässt sich am besten mithilfe von Kontaktwinkelmessungen quantifizieren.

Wie hängen Adhäsion und Kontaktwinkel zusammen? 

 

Der Kontaktwinkel beschreibt die „Rundheit“ eines Tropfens auf einer Oberfläche und ist ein Maß für deren Benetzbarkeit. Je kleiner der Kontaktwinkel, desto besser die Benetzung. Dass Benetzung und Kontaktwinkel mit der Adhäsion zusammenhängen, ist intuitiv verständlich: Damit Adhäsion überhaupt stattfinden kann, muss die Flüssigkeit den Festkörper zunächst benetzen und darf nicht abperlen. 


Über die Young‘sche Gleichung ist der Kontaktwinkel θ (kleines griech. Theta) mit der Oberflächenspannung σlg der Flüssigkeit (liquid/gas), der freien Oberflächenenergie des Festkörpers σsg (solid/gas) sowie der Grenzflächenspannung σsl (solid/liquid) verknüpft (Gleichung 3):

Schematische Darstellung der grenzflächenchemischen Größen in der Young’schen Gleichung
Schematische Darstellung der grenzflächenchemischen Größen in der Young’schen Gleichung

Zusammen mit Gleichung 2 ergibt sich für die Adhäsionsarbeit WA die Beziehung nach Young-Dupré (Gleichung 4):

Durch Messung der Oberflächenspannung der Flüssigkeit und des Kontaktwinkels mit dem Festkörper kann also die Adhäsionsarbeit bestimmt werden.

 

Drop Shape Analyzer (DSA) von KRÜSS messen nicht nur den Kontaktwinkel, sondern verfügen auch über die präzisen Oberflächenspannungsmethoden Constrained Sessile Drop und Pendant Drop, sodass die Adhäsionsarbeit mithilfe eines einzigen Messgerätes ermittelt werden kann. 

Welche molekularen Kräfte bewirken Adhäsion?

 

Es gibt eine Reihe von Modellen, welche die intermolekularen Kräfte an einer Grenzfläche und deren Beitrag zur Adhäsionsarbeit beschreiben. Die meisten dieser Ansätze splitten die Oberflächenspannung der Flüssigkeit und die freie Oberflächenenergie des Festkörpers in polare („wasserartige“) und dispersive („ölartige“) Wechselwirkungen auf. Das populärste dieser Modelle ist das nach Owens, Wendt, Rabel & Kaelble (OWRK).

 

Vereinfachend wird davon ausgegangen, dass die Adhäsion zwischen zwei Phasen durch jeweils gleichartige Wechselwirkungen entsteht, dass also z. B. polare Wechselwirkungen nur ausgebildet werden, wenn beide Phasen über polare Anteile verfügen. Die Adhäsion ist dabei umso größer (und die destabilisierende Grenzflächenspannung umso geringer), je ähnlicher die beiden Phase hinsichtlich ihrer Polarität sind.

 

Detailliertere Informationen zu den Wechselwirkungsmodellen finden Sie im Glossarartikel über die freie Oberflächenenergie.

 

Die weiter oben genannten Verfahren zur Oberflächenvorbehandlung erhöhen vor allem den polaren Anteil der freien Oberflächenenergie, indem Sie die Oberfläche oxidieren und so polare chemische Gruppen erzeugen. Dabei kann es jedoch auch zu einer Überaktivierung kommen: Wenn das Substrat nach der Behandlung anteilsmäßig polarer ist als das Coating, sind die beiden Phase nicht vollkommen kompatibel und die resultierende Grenzflächenspannung verringert die Haftung und Langzeitstabilität.

 

Mithilfe von Kontaktwinkeln und Oberflächenspannungsdaten ist es möglich, optimale Polaritäts-Zielwerte für gute Adhäsion zu ermitteln, diese vorherzusagen und die Oberflächenspannungs-/Energie-Profile zu optimieren.

 

Erfahren Sie mehr zur Optimierung von Beschichtungen in unserem Applikationsbericht AR296  („Beschichtbarkeit vorhersagen“) über ein Kooperationsprojekt von BYK und KRÜSS.

Welche Bedeutung hat das Grenzflächen-Wechselwirkungsmodell für die Adhäsion durch kovalente chemische Bindungen?

 

Bei manchen Beschichtungs- und Verklebungsvorgängen beruht die Haftung auf kovalenten Bindungen, z. B. beim Kleben von Glas. Physikalische Wechselwirkungsmodelle erlauben in solchen Fällen keine direkte Berechnung der Haftung. Da jedoch die Ausbildung kovalenter Bindungen einen engen Grenzflächenkontakt voraussetzt, ist eine gute Benetzung und Anfangshaftung notwendig und eine Bestimmung der Adhäsionsarbeit und Grenzflächenspannung dennoch sinnvoll. 

Funktioniert das Modell polarer und dispersiver Wechselwirkungen universell für die Optimierung der Adhäsion?


Die Berechnung der Adhäsionsarbeit anhand polarer und dispersiver Wechselwirkungen hat sich in der Praxis vielfach bewährt. Dennoch gibt es viele Systeme, bei denen die berechneten Werte wenig mit der Haftung ausgehärteter Coatings und Verklebungen korrelieren. Zum Beispiel ändert sich der herkömmliche Fortschreitwinkel oder Fortschreitabschlusswinkel (recently advanced contact angle, RACA) bei manchen Systemen kaum, obwohl signifikante Unterschiede in der mechanisch gemessenen Adhäsion bestehen. Es hat sich gezeigt, dass der im Zuge der Entnetzung gemessene Rückzugswinkel in vielen Fällen stärker mit der mechanischen Endhaftung korreliert als der Fortschreitwinkel für die Benetzung.

Wie kann die Adhäsion anhand der Entnetzung charakterisiert werden?

 

Intuitiv besteht eine Analogie zwischen dem Ablösen eines Coatings bzw. dem Auseinanderziehen einer Klebeverbindung und dem Rückzug einer benetzenden Flüssigkeit von einer Oberfläche. Das ist zwar keine wissenschaftliche Erklärung, aber tatsächlich korreliert der Rückzugswinkel, welcher das Entnetzungsverhalten charakterisiert, häufig sehr gut mit Ergebnissen mechanischer Haftungsmessungen. Ein Beispiel für diese gute Übereinstimmung ist der Crosshatch-Test für Coatings, wie KRÜSS zusammen mit den Kooperationspartnern BYK und Plasmatreat auf einer breiten Datenbasis belegen konnte.

 

Lesen Sie zu den Ergebnisse dieser Studie unseren Applikationsbericht AR301.

 

Zur Messung der Entnetzung steht die Methode Stood-up Drop zur Verfügung, welche die Entnetzung anhand des Rückzugsabschlusswinkels (recently receded contact angle, RRCA) bestimmt. Die Messung verläuft reproduzierbar und sekundenschnell und erfolgt gefahrlos mit reinem Wasser, sodass sich die Methode gut für Qualitätskontrollen im Vorfeld von Verklebungs- und Beschichtungsvorgängen eignet. 

Literatur
  • A. M. Dupré, P. Dupré. Théorie mécanique de la chaleur. 1869.
  • D. H. Kaelble, Dispersion-Polar Surface Tension Properties of Organic Solids. In: J. Adhesion 2 (1970), P. 66-81.
  • D. Owens; R. Wendt, Estimation of the Surface Free Energy of Polymers. In: J. Appl. Polym. Sci 13 (1969), P. 1741-1747.
  • W. Rabel, Einige Aspekte der Benetzungstheorie und ihre Anwendung auf die Untersuchung und Veränderung der Oberflächeneigenschaften von Polymeren. In: Farbe und Lack 77,10 (1971), P. 997-1005.
  • T. Young, An Essay on the Cohesion of Fluids. Philosophical Transactions of the Royal Society of London, The Royal Society, London 1805, Vol. 95, P. 65-87.